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Sport

GrenzEcho

Samstag, 4. Februar 2017

35

Sie sind in Personalunion

Präsident und Trainer der ers-

ten Mannschaft: Wie lange

wollen Sie sich diese Doppel-

belastung neben Beruf und

Familie noch antun?

Allerhöchstens bis zum En-

de der Saison. Definitiv. Die

Trennung von unserem Trai-

ner war keine schöne Angele-

genheit, aber eine, die wir voll-

ziehen mussten, da das Ver-

hältnis zwischen Mannschaft

und Trainer zerrüttet war. Wir

befanden uns kurz vor der

Winterpause und wollten mit

einem neuen Trainer starten.

Dann haben wir nach Alterna-

tiven gesucht und nach einem

Gespräch mit

der

Mann-

schaft kristal-

lisierte

sich

heraus, dass

ich es einige

Wochen ma-

chen soll, bis dass wir den

richtigen Trainer gefunden

haben. So war der ursprüngli-

che Plan.

Was hat in der Zusammenar-

beit mit Jean-Christophe

Hougardy nicht funktioniert?

Es war weniger das Handbal-

lerische. Er hatte zwar eine

völlig komplett andere Idee

vom Handball als ich sie habe,

aber das war nicht ausschlag-

gebend. Diese andere Ansicht

muss man respektieren, weil

jeder Trainer seine eigene Visi-

on hat, aber irgendwo haben

die Mentalitäten nicht zuein-

ander gefunden.

War er vielleicht zu fordernd:

Er, der mit professionellem

Anspruch antrat, und auf der

anderen Seite Freizeithand-

baller, die für ihr Hobby noch

bezahlen müssen?

Nein, das war es nicht. Es

war ja auch nicht alles

schlecht. Er hat in der Vorbe-

reitung bis zu sieben Mal die

Woche trainieren lassen. Die

Anwesenheitsquote lag bei 88

Prozent, was für eine Mann-

schaft nicht schlecht ist, in der

sich Studenten und Berufstäti-

ge befinden und die ohne Ent-

gelt ihrem Hobby nachgehen.

Am Anfang hat alles gut funk-

tioniert. Es herrschte sogar Be-

geisterung, weil endlich einer

von außerhalb des Vereins

kam. Es ist in meinen Augen

wichtig, dass wir auch in Eu-

pen Einflüsse von außen be-

kommen. Es hat sich dann

aber herausgestellt, dass der

Umgang miteinander und vor

allem das Thema Vertrauen

nicht funktionierte.

Glauben Sie nach der ge-

machten Erfahrung, dass die

Mannschaft einen Trainer be-

nötigt, den sie kennt und der

im besten Fall aus den eige-

nen

KTSV-Rei-

hen

kommt?

Ich weiß

heute

nicht,

wer es wird. Wir haben in den

letzten zehn Jahren gute Trai-

ner gehabt, die aber immer

von innen kamen. Wir brau-

chen vielleicht noch mal ei-

nen, der eine andere Sicht auf

den Handball hat.

Weshalb entpuppt sich die

Suche als so schwierig?

Für uns gibt es drei wichtige

Komponenten. Wir brauchen

einen guten Trainer, wir brau-

chen einen guten Coach und

wir brauchen einen, der gut

führt. Es ist praktisch unmög-

lich, jemanden zu finden, der

in allen drei Bereichen top ist.

Am Ende des Tages muss er

aber die drei Komponenten

erfüllen. Aufgrund der jüngs-

ten Erfahrung bin ich ein we-

nig zwiegespalten. Einen völ-

lig Unbekannten werden wir

daher nicht holen. Ich möchte

kein weiteres Mal eine negati-

ve Erfahrung machen. Wir

wollen uns keinen zweiten

Fehltritt leisten. Ich beschäfti-

ge mich jeden Tag mit der Fra-

ge, wer am besten zu uns pas-

sen könnte.

Wie sehr sind Sie mit der Ent-

wicklung der Mannschaft in

den letzten Wochen zufrie-

den? Wo haben Sie den He-

bel angesetzt?

Das Thema Führung und

den Umgang mit den Jungs

habe ich zunächst in den Mit-

telpunkt gerückt. Wir haben

eine sehr junge Truppe, die

Handball spielen kann. Davon

sind wir überzeugt, weil sie es

längst bewiesen hat. Alle ha-

ben eine sehr gute Ausbildung

genossen. Doch musste ich

handballerisch einige Blocka-

den lösen. Ich habe viele Ge-

spräche geführt und ihnen ein

Mitsprache- bzw. Mitgestal-

tungsrecht eingeräumt. Am

Ende trage ich natürlich die

Verantwortung und treffe die

Entscheidungen. Somit sind

sie aber motivierter und brin-

gen bessere Leistungen. Bei

den Heimspielen zeigen sie

das auch. Auswärts tun wir

uns schwer. Wir sind aber in

keinem einzigen Spiel abge-

schlachtet worden, aber sechs

Spiele haben wir mit einem

Tor Unterschied verloren, was

zum Teil auch dem jungen Al-

ter geschuldet ist. Unser Pro-

jekt sieht ja nicht vor, dass wir

in diesem Jahr auf Biegen und

Brechen aufsteigen. Auf gar

keinen Fall. Wir müssen uns

einfach weiterentwickeln. Die

Mannschaft hat ein riesiges

Potenzial.

Was gilt es jetzt noch zu ver-

bessern, bevor ein neuer

Mann das Ruder übernimmt?

Wir arbeiten vor allem an

unserem Angriffsspiel. In der

Abwehr haben wir uns in den

letzten Wochen stabilisiert

und spielen guten Handball,

so wie ich ihn mir vorstelle.

Aber im Angriffsspiel haben

wir unsere Problemchen. Wir

müssen mehr Ruhe und Ord-

nung hineinbekommen. Wir

müssen

strukturiert,

aber

nicht zu kompliziert agieren.

Die Meisterschaft ist noch elf

Spieltage lang: Wie würden

Sie die Zielsetzung definie-

ren?

Wir wollen jedes Spiel ge-

winnen und schauen daher

von Woche zu Woche. Das ers-

te Ziel ist, zu Hause kein Spiel

mehr verlieren zu wollen. Wir

treten am Stockbergerweg in-

zwischen mit dem erforderli-

chen Selbstbewusstsein auf,

sind lauffreudig und versu-

chen, attraktiven Handball zu

spielen. Damit sind wir erfolg-

reich. Auswärts müssen wir

uns um eine größere Ausbeu-

te bemühen. Die Ziele, die wir

uns der Saison gesteckt haben,

gilt auch heute noch. Wir wol-

len Dritter oder Vierter wer-

den.

Ist die 1. Division mittelfristig

ein Thema für Sie?

Ja, definitiv. Ich bin im Juni

2016 mit einer Vision für drei

Jahre angetreten und diese

sieht auch den Aufstieg in die

1. Division vor. Eupen gehört

einfach in die erste Liga, allein

schon des Derbys gegen Ey-

natten wegen. Da gehört aber

mehr dazu, als drei Söldner zu

verpflichten, die dafür Sorge

tragen, dass wir aufsteigen.

Wir benötigen einen vernünf-

tigen Unterbau, für den wir

zwei, drei Jahre brauchen, weil

wir es mit den eigenen Leuten

schaffen

wollen. Ich

will

aber

nicht aus-

schließen,

dass

wir

mal einen

Spieler verpflichten. Dabei gilt

es auch, die Themen Finanzen

und Infrastruktur zu ordnen.

Wir sind auf einem guten

Weg, dass der ganze Verein in

zwei, drei Jahren erstklassig

ist.

Wie geht es der KTSV Anfang

2017?

Dem Verein geht es sehr gut.

Wir haben 180 Mitglieder. In

jedes Mitglied investieren wir

bis zu 400 Euro pro Jahr. Lang-

fristig soll es mehr werden.

Wir haben in diesem Jahr zwei

zusätzliche Mannschaften im

weiblichen Bereich angemel-

det und zusammen mit der AS

eine Ballsportgruppe gegrün-

det, die sehr viel Freude berei-

tet und erfolgreich ist.

Die Damen belegen den vor-

letzten Platz in der 2. Divisi-

on. Ist für sie der Klassener-

halt das einzige Ziel?

So ist es. Vor der Saison bin

ich davon ausgegangen, dass

dies unser schwierigstes Pro-

jekt ist. Wir treten mit einer

hochtalentierten, aber sehr

jungen Mannschaft an. Wir

sind diesen Weg gegangen,

wohlwissend, dass es eine sehr

schwierige Kiste werden wür-

de. Wenn wir dieses Jahr sport-

lich überleben, wäre dies eine

tolle Sache, aber auch der Ab-

stieg wäre kein Drama. Wir ha-

ben eine gute Basis, von der

wir in einigen Jahren profitie-

ren werden.

Guido Lausberg, seines Zei-

chens Präsident des Hand-

ball-Erstligisten HC Eynat-

ten-Raeren, hat kürzlich un-

serer Zeitung gesagt, dass ei-

ne Zusammenarbeit mit der

KTSV Eupen über kurz oder

lang erforderlich ist. Wie se-

hen Sie das?

Ich könnte mir sehr gut ein

gemeinsames Projekt vorstel-

len.

Das,

was wir mit

der

Ball-

sportgrup-

pe zusam-

men

mit

der AS ma-

chen, könnte ich mir mit dem

HC Eynatten-Raeren sehr gut

im Jugendbereich vorstellen.

Ich sehe, dass die Spieler, die

in den Seniorenbereich wech-

seln, zum Teil noch große kör-

perliche Defizite haben. Hier

könnte man ein gemeinsames

Projekt entwickeln. Das wäre

schon mal ein erster Schritt.

Man muss ja nichts übers Knie

brechen, kann aber mal eine

Sache gemeinsam machen

und schauen, wie sich das

Ganze entwickelt.

Heute Abend (20.15 Uhr)

heißt der Gegner Sasja. Die-

ser hat fünf Punkte weniger

in der Tabelle. Ist alles andere

als ein Heimsieg eine Enttäu-

schung?

Man weiß nie, mit welcher

Mannschaft Sasja auftaucht.

Sasja ist ein großer Verein,

dessen zweite Mannschaft bei

uns spielt. Sind Spieler aus der

BeNeLeague dabei oder nicht?

Das Spiel ist noch lange nicht

gewonnen. Wir müssen 100

Prozent bringen und dürfen

nicht nachlassen. In dieser

ausgeglichenen Serie kann je-

der jeden schlagen.

„In zwei, drei Jahren erstklassig“

Seit Juni ist Istvan „Stefan“ Vaessen Präsident der KTSV Eupen. Seit der Trennung von Jean-Christophe Hougardy Anfang Dezember

übt der 39-Jährige auch das Traineramt beim Handball-Zweitdivisionär aus. Was nur für eine kurze Zeit angedacht war, entwickelte

sich als Lösung bis zum Saisonende. Warum sich die Suche nach einem Nachfolger als so schwierig gestaltet, welches Profil der

Neue erfüllen soll und wie er eine mögliche Zusammenarbeit mit dem HC Eynatten-Raeren sieht, verriet Vaessen im GE-Gespräch.

V

ON

H

EINZ

G

ENSTERBLUM

„Wir wollen zu Hause kein

Spiel mehr verlieren.“

„Ich könnte mir ein Projekt

mit Eynatten vorstellen.“

KTSV-Präsident Istvan „Stefan“ Vaessen betreut die Mannschaft übergangsweise und ist auf der intensiven Suche nach ei-

nem Nachfolger für Jean-Christophe Hougardy: „Wir wollen uns keinen zweiten Fehltritt leisten.“

Foto: David Hagemann

l

Istvan Vaessen, 39, ist Sohn

eines Niederländers und ei-

ner Ungarin. Sein Rufname

Stefan ist die Übersetzung

von Istvan aus dem Ungari-

schen.

l

Als Handballer war er in der

Jugend (bis 2003) für die

KTSV Eupen aktiv. Anschlie-

ßend spielte er für den HC

Eynatten (2003-2004), den

HC Raeren (2004-2007) und

den HC Visé (2007-2008), be-

vor er im Alter von 33 Jahren

beim HC Eynatten-Raeren

seine Karriere beendete.

l

Seit Dezember ist er Trainer

der ersten Herren-Mann-

schaft KTSV Eupen, seiner

ersten Trainerstation über-

haupt. Wenige Monate zuvor

hatte er das Präsidentenamt

bei der KTSV übernommen.

l

Stefan Vaessen, der einen

niederländischen Pass hat,

lebt in Eupen und hat mit

seiner Frau drei Töchter im

Alter von 7, 5 und andert-

halb Jahren.

l

Er arbeitet in Stolberg als Fi-

nanzdirektor in einem Be-

trieb der metallverarbeiten-

den Industrie.

(hegen)

Istvan „Stefan“ Vaessen

ZUR PERSON