Sport
GrenzEcho
Samstag, 4. Februar 2017
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Sie sind in Personalunion
Präsident und Trainer der ers-
ten Mannschaft: Wie lange
wollen Sie sich diese Doppel-
belastung neben Beruf und
Familie noch antun?
Allerhöchstens bis zum En-
de der Saison. Definitiv. Die
Trennung von unserem Trai-
ner war keine schöne Angele-
genheit, aber eine, die wir voll-
ziehen mussten, da das Ver-
hältnis zwischen Mannschaft
und Trainer zerrüttet war. Wir
befanden uns kurz vor der
Winterpause und wollten mit
einem neuen Trainer starten.
Dann haben wir nach Alterna-
tiven gesucht und nach einem
Gespräch mit
der
Mann-
schaft kristal-
lisierte
sich
heraus, dass
ich es einige
Wochen ma-
chen soll, bis dass wir den
richtigen Trainer gefunden
haben. So war der ursprüngli-
che Plan.
Was hat in der Zusammenar-
beit mit Jean-Christophe
Hougardy nicht funktioniert?
Es war weniger das Handbal-
lerische. Er hatte zwar eine
völlig komplett andere Idee
vom Handball als ich sie habe,
aber das war nicht ausschlag-
gebend. Diese andere Ansicht
muss man respektieren, weil
jeder Trainer seine eigene Visi-
on hat, aber irgendwo haben
die Mentalitäten nicht zuein-
ander gefunden.
War er vielleicht zu fordernd:
Er, der mit professionellem
Anspruch antrat, und auf der
anderen Seite Freizeithand-
baller, die für ihr Hobby noch
bezahlen müssen?
Nein, das war es nicht. Es
war ja auch nicht alles
schlecht. Er hat in der Vorbe-
reitung bis zu sieben Mal die
Woche trainieren lassen. Die
Anwesenheitsquote lag bei 88
Prozent, was für eine Mann-
schaft nicht schlecht ist, in der
sich Studenten und Berufstäti-
ge befinden und die ohne Ent-
gelt ihrem Hobby nachgehen.
Am Anfang hat alles gut funk-
tioniert. Es herrschte sogar Be-
geisterung, weil endlich einer
von außerhalb des Vereins
kam. Es ist in meinen Augen
wichtig, dass wir auch in Eu-
pen Einflüsse von außen be-
kommen. Es hat sich dann
aber herausgestellt, dass der
Umgang miteinander und vor
allem das Thema Vertrauen
nicht funktionierte.
Glauben Sie nach der ge-
machten Erfahrung, dass die
Mannschaft einen Trainer be-
nötigt, den sie kennt und der
im besten Fall aus den eige-
nen
KTSV-Rei-
hen
kommt?
Ich weiß
heute
nicht,
wer es wird. Wir haben in den
letzten zehn Jahren gute Trai-
ner gehabt, die aber immer
von innen kamen. Wir brau-
chen vielleicht noch mal ei-
nen, der eine andere Sicht auf
den Handball hat.
Weshalb entpuppt sich die
Suche als so schwierig?
Für uns gibt es drei wichtige
Komponenten. Wir brauchen
einen guten Trainer, wir brau-
chen einen guten Coach und
wir brauchen einen, der gut
führt. Es ist praktisch unmög-
lich, jemanden zu finden, der
in allen drei Bereichen top ist.
Am Ende des Tages muss er
aber die drei Komponenten
erfüllen. Aufgrund der jüngs-
ten Erfahrung bin ich ein we-
nig zwiegespalten. Einen völ-
lig Unbekannten werden wir
daher nicht holen. Ich möchte
kein weiteres Mal eine negati-
ve Erfahrung machen. Wir
wollen uns keinen zweiten
Fehltritt leisten. Ich beschäfti-
ge mich jeden Tag mit der Fra-
ge, wer am besten zu uns pas-
sen könnte.
Wie sehr sind Sie mit der Ent-
wicklung der Mannschaft in
den letzten Wochen zufrie-
den? Wo haben Sie den He-
bel angesetzt?
Das Thema Führung und
den Umgang mit den Jungs
habe ich zunächst in den Mit-
telpunkt gerückt. Wir haben
eine sehr junge Truppe, die
Handball spielen kann. Davon
sind wir überzeugt, weil sie es
längst bewiesen hat. Alle ha-
ben eine sehr gute Ausbildung
genossen. Doch musste ich
handballerisch einige Blocka-
den lösen. Ich habe viele Ge-
spräche geführt und ihnen ein
Mitsprache- bzw. Mitgestal-
tungsrecht eingeräumt. Am
Ende trage ich natürlich die
Verantwortung und treffe die
Entscheidungen. Somit sind
sie aber motivierter und brin-
gen bessere Leistungen. Bei
den Heimspielen zeigen sie
das auch. Auswärts tun wir
uns schwer. Wir sind aber in
keinem einzigen Spiel abge-
schlachtet worden, aber sechs
Spiele haben wir mit einem
Tor Unterschied verloren, was
zum Teil auch dem jungen Al-
ter geschuldet ist. Unser Pro-
jekt sieht ja nicht vor, dass wir
in diesem Jahr auf Biegen und
Brechen aufsteigen. Auf gar
keinen Fall. Wir müssen uns
einfach weiterentwickeln. Die
Mannschaft hat ein riesiges
Potenzial.
Was gilt es jetzt noch zu ver-
bessern, bevor ein neuer
Mann das Ruder übernimmt?
Wir arbeiten vor allem an
unserem Angriffsspiel. In der
Abwehr haben wir uns in den
letzten Wochen stabilisiert
und spielen guten Handball,
so wie ich ihn mir vorstelle.
Aber im Angriffsspiel haben
wir unsere Problemchen. Wir
müssen mehr Ruhe und Ord-
nung hineinbekommen. Wir
müssen
strukturiert,
aber
nicht zu kompliziert agieren.
Die Meisterschaft ist noch elf
Spieltage lang: Wie würden
Sie die Zielsetzung definie-
ren?
Wir wollen jedes Spiel ge-
winnen und schauen daher
von Woche zu Woche. Das ers-
te Ziel ist, zu Hause kein Spiel
mehr verlieren zu wollen. Wir
treten am Stockbergerweg in-
zwischen mit dem erforderli-
chen Selbstbewusstsein auf,
sind lauffreudig und versu-
chen, attraktiven Handball zu
spielen. Damit sind wir erfolg-
reich. Auswärts müssen wir
uns um eine größere Ausbeu-
te bemühen. Die Ziele, die wir
uns der Saison gesteckt haben,
gilt auch heute noch. Wir wol-
len Dritter oder Vierter wer-
den.
Ist die 1. Division mittelfristig
ein Thema für Sie?
Ja, definitiv. Ich bin im Juni
2016 mit einer Vision für drei
Jahre angetreten und diese
sieht auch den Aufstieg in die
1. Division vor. Eupen gehört
einfach in die erste Liga, allein
schon des Derbys gegen Ey-
natten wegen. Da gehört aber
mehr dazu, als drei Söldner zu
verpflichten, die dafür Sorge
tragen, dass wir aufsteigen.
Wir benötigen einen vernünf-
tigen Unterbau, für den wir
zwei, drei Jahre brauchen, weil
wir es mit den eigenen Leuten
schaffen
wollen. Ich
will
aber
nicht aus-
schließen,
dass
wir
mal einen
Spieler verpflichten. Dabei gilt
es auch, die Themen Finanzen
und Infrastruktur zu ordnen.
Wir sind auf einem guten
Weg, dass der ganze Verein in
zwei, drei Jahren erstklassig
ist.
Wie geht es der KTSV Anfang
2017?
Dem Verein geht es sehr gut.
Wir haben 180 Mitglieder. In
jedes Mitglied investieren wir
bis zu 400 Euro pro Jahr. Lang-
fristig soll es mehr werden.
Wir haben in diesem Jahr zwei
zusätzliche Mannschaften im
weiblichen Bereich angemel-
det und zusammen mit der AS
eine Ballsportgruppe gegrün-
det, die sehr viel Freude berei-
tet und erfolgreich ist.
Die Damen belegen den vor-
letzten Platz in der 2. Divisi-
on. Ist für sie der Klassener-
halt das einzige Ziel?
So ist es. Vor der Saison bin
ich davon ausgegangen, dass
dies unser schwierigstes Pro-
jekt ist. Wir treten mit einer
hochtalentierten, aber sehr
jungen Mannschaft an. Wir
sind diesen Weg gegangen,
wohlwissend, dass es eine sehr
schwierige Kiste werden wür-
de. Wenn wir dieses Jahr sport-
lich überleben, wäre dies eine
tolle Sache, aber auch der Ab-
stieg wäre kein Drama. Wir ha-
ben eine gute Basis, von der
wir in einigen Jahren profitie-
ren werden.
Guido Lausberg, seines Zei-
chens Präsident des Hand-
ball-Erstligisten HC Eynat-
ten-Raeren, hat kürzlich un-
serer Zeitung gesagt, dass ei-
ne Zusammenarbeit mit der
KTSV Eupen über kurz oder
lang erforderlich ist. Wie se-
hen Sie das?
Ich könnte mir sehr gut ein
gemeinsames Projekt vorstel-
len.
Das,
was wir mit
der
Ball-
sportgrup-
pe zusam-
men
mit
der AS ma-
chen, könnte ich mir mit dem
HC Eynatten-Raeren sehr gut
im Jugendbereich vorstellen.
Ich sehe, dass die Spieler, die
in den Seniorenbereich wech-
seln, zum Teil noch große kör-
perliche Defizite haben. Hier
könnte man ein gemeinsames
Projekt entwickeln. Das wäre
schon mal ein erster Schritt.
Man muss ja nichts übers Knie
brechen, kann aber mal eine
Sache gemeinsam machen
und schauen, wie sich das
Ganze entwickelt.
Heute Abend (20.15 Uhr)
heißt der Gegner Sasja. Die-
ser hat fünf Punkte weniger
in der Tabelle. Ist alles andere
als ein Heimsieg eine Enttäu-
schung?
Man weiß nie, mit welcher
Mannschaft Sasja auftaucht.
Sasja ist ein großer Verein,
dessen zweite Mannschaft bei
uns spielt. Sind Spieler aus der
BeNeLeague dabei oder nicht?
Das Spiel ist noch lange nicht
gewonnen. Wir müssen 100
Prozent bringen und dürfen
nicht nachlassen. In dieser
ausgeglichenen Serie kann je-
der jeden schlagen.
„In zwei, drei Jahren erstklassig“
Seit Juni ist Istvan „Stefan“ Vaessen Präsident der KTSV Eupen. Seit der Trennung von Jean-Christophe Hougardy Anfang Dezember
übt der 39-Jährige auch das Traineramt beim Handball-Zweitdivisionär aus. Was nur für eine kurze Zeit angedacht war, entwickelte
sich als Lösung bis zum Saisonende. Warum sich die Suche nach einem Nachfolger als so schwierig gestaltet, welches Profil der
Neue erfüllen soll und wie er eine mögliche Zusammenarbeit mit dem HC Eynatten-Raeren sieht, verriet Vaessen im GE-Gespräch.
V
ON
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EINZ
G
ENSTERBLUM
„Wir wollen zu Hause kein
Spiel mehr verlieren.“
„Ich könnte mir ein Projekt
mit Eynatten vorstellen.“
KTSV-Präsident Istvan „Stefan“ Vaessen betreut die Mannschaft übergangsweise und ist auf der intensiven Suche nach ei-
nem Nachfolger für Jean-Christophe Hougardy: „Wir wollen uns keinen zweiten Fehltritt leisten.“
Foto: David Hagemann
l
Istvan Vaessen, 39, ist Sohn
eines Niederländers und ei-
ner Ungarin. Sein Rufname
Stefan ist die Übersetzung
von Istvan aus dem Ungari-
schen.
l
Als Handballer war er in der
Jugend (bis 2003) für die
KTSV Eupen aktiv. Anschlie-
ßend spielte er für den HC
Eynatten (2003-2004), den
HC Raeren (2004-2007) und
den HC Visé (2007-2008), be-
vor er im Alter von 33 Jahren
beim HC Eynatten-Raeren
seine Karriere beendete.
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Seit Dezember ist er Trainer
der ersten Herren-Mann-
schaft KTSV Eupen, seiner
ersten Trainerstation über-
haupt. Wenige Monate zuvor
hatte er das Präsidentenamt
bei der KTSV übernommen.
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Stefan Vaessen, der einen
niederländischen Pass hat,
lebt in Eupen und hat mit
seiner Frau drei Töchter im
Alter von 7, 5 und andert-
halb Jahren.
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Er arbeitet in Stolberg als Fi-
nanzdirektor in einem Be-
trieb der metallverarbeiten-
den Industrie.
(hegen)
Istvan „Stefan“ Vaessen
ZUR PERSON