Persoverzicht april 2020

20 20 S PORT GrenzEcho Montag, 20. April 2020 V ON J ÜRGEN H ECK Wenige Wochen zuvor hat- ten sich die Rot-Schwarzen durch einen Endspielsieg in der Lütticher Country Hall ge- gen den HK Tongeren mit dem Landespokal bereits die erste Trophäe gesichert. Diese überragende Saison war das zweite Jahr unter den Fittichen von Cheftrainer Wil- lem „Pim“ Rietbroek. Der er- fahrene Niederländer hatte vor Beginn der Saison 1998/99 an der Lichtenbuscher Straße angeheuert. Zuvor hatten Gerrit Stavast, Erik Wudtke, Stéphane Bouhy und Jean-Marc Schuransky einen Kader verstärkt, in dem bereits wichtige Stützen wie Zbigniew Krzyskow, Max Ja- cobs, Christian Hagemann oder Oli Werding Verantwor- tung übernahmen. So „aufgerüstet”, wurde aus der Mittelfeldmannschaft, die stets den Klassenerhalt im Au- ge behalten musste, ein echtes Spitzenteam. Und obwohl es im ersten Rietbroek-Jahr gleich zum erstmaligen Sprung in den Handball-Euro- papokal reichte, herrschte im Herbst 1999 eher Skepsis vor: „Schon der Status quo wäre als großer Erfolg zu werten” titel- te das GrenzEcho vor Saison- beginn der höchsten belgi- schen Liga, die in dieser Spiel- zeit erstmals Ehrendivision hieß. Vor allem der quantitativ eng besetzte Kader wirkte als Euphoriebremse. Andererseits trumpfte die Rietbroek-Trup- pe, die nur den Niederländer Eric Eussen als Neuzugang in- tegrieren musste, schon in der Vorbereitung mit ausgezeich- neten Resultaten auf. Diese Linie zogen die Rot- Schwarzen in den folgenden Monaten durch. Nur selten ging die Truppe um Kapitän Christian Hagemann als Ver- lierer vom Platz, um sich dann in der entscheidenden Mei- sterschaftsphase zu geradezu professioneller Effizienz zu steigern. Aushängeschild der Mann- schaft war dabei die Abwehr, die Pim Rietbroek auf eine sehr defensive 6:0-Variante umgestellt hatte. „Ich habe auf die 6:0-Deckung gesetzt, weil wir die Spielertypen dazu ha- ben”, so der heute 78-jährige Niederländer damals. Der Meistermacher war ins- gesamt fünf Jahre lang beim HCE tätig, um 2003 zu seinem Ursprungsverein Geleen zu- rückzukehren. Rietbroek, der in seiner Kar- riere auch den HC Herstal, Sas- ja Antwerpen, die niederländi- sche Nationalmannschaft, BTB Aachen und Achilles Bocholt betreute, sollte noch einmal – in der Saison 2011/12 – in Ey- natten an der Seitenlinie ste- hen. Die Eroberung der Landes- meisterschaft sollte nicht der einzige Eynattener Titel blei- ben: Auch 2001 und 2002 si- cherten sich die Schwarz-Ro- ten den Titel, ehe der Verein nicht nur sportlich wieder etwas kleinere Brötchen bac- ken musste. Handball: HC Eynatten feierte vor 20 Jahren seinen ersten Landesmeistertitel Der 10. Mai 2000 dürfte auf immer und ewig in Stein in die Vereinsge- schichte der Eynattener Handballer gemeißelt sein: An diesem Mitt- wochabend machte die erste Herrenmannschaft des Vereins, der vor der Fusion mit dem Nachbarn Raeren noch schlicht HC Eynatten hieß, durch ein 24:16 gegen Ajax Lebbeke im zweiten Play-off-Final- spiel den Gewinn der Lan- desmeisterschaft perfekt. So sehen Landesmeister aus: Der Jubel der Eynattener Spieler und ihrer Fans nach der geschafften Meisterschaft war grenzenlos. Alle Fotos: GE-Archiv Als das ganze Grenzdorf Kopf stand In den beiden Play-off-Fi- nalen gegen Ajax Lebbeke setzte der HC Eynatten im Mai 2000 folgende Spieler ein: Gerrit Stavast, Mario Piel, Stéphane Bouhy, Christi- an Hagemann, Arndt von Behren, Erik Wudtke, Zbi- gniew Krzyskow, Oli Wer- ding, Max Jacobs, Maurice Janssen, Sebastian Kreusch, Jean-Marc Schuransky ST ICHWORT Meisterteam „Das zweite Play-off-Finale werde ich wohl nie verges- sen. Ich hatte in der Woche vor dem Spiel nicht viel trai- niert und war noch nicht von der Bank gekommen. In der zweiten Halbzeit gab es dann Sprechchöre ‘Oli, Oli’. Kurz danach sagte Trainer Pim Rietbroek, der mich sonst wohl nicht einge- wechselt hätte: ‘Oli, mach dich fertig’”, schildert Oli Werding, warum er seit dieser Zeit den Spitznamen „Handball-Gott” trägt. „Ich war in dieser Saison privat und beruflich viel unterwegs, was sich natür- lich auf meine Einsatzzeiten auswirkte. Ich habe praktisch nur in der Abwehr gespielt”, erinnert sich der Hauseter. „Wir wussten beim Saison- start, dass wir nicht die be- sten Einzelspieler hatten, dafür aber einen unwahr- scheinlichen Mannschafts- geist. Weil Gerrit Stavast wegen seiner Schichtarbeit abends nicht immer zur Verfügung stand, organi- sierten die Studenten in der Mannschaft Trainingseinhei- ten am Morgen”, analysiert er die Gründe für den Erfolg des HC Eynatten. Die Spieler hätten in dieser Zeit auch viel gemeinsam unternom- men. Außerdem sei Eynatten im Angriff unberechenbar gewesen, wobei Gefahr von allen Spielern ausging. „Und wenn gar nichts mehr ging, hatten wir immer noch Zbi- gniew ‘Spizek’ Krzyskow. Er war es übrigens, der uns im ersten Finalspiel durch ein blitzschnelles Tor in die Ver- längerung geworfen hat, während Lebbeke schon feierte.” Dass Oli Werding nach jahrelanger Unter- brechung den Rot-Schwarzen wieder sehr nahe steht, hat gleich zwei Gründe. Zum einen spielt sein Sohn in den Préminimes, und zum ande- ren ist Herrentrainer Bruno Thevissen, mit dem er auch die Leidenschaft für Triath- lon teilt, „mein bester Freund”. Als Physiothera- peut-Ostheopath kümmert sich Werding, gemeinsam mit Richard Hass, um die kleineren und größeren Verletzungen der HCER- Spieler. „Der HCE ist ein Dorfverein im guten Sinne des Wortes, der sehr viel auf die Beine stellt. Der Verein leistet exzellente Jugend- arbeit, wie das jüngste Bei- spiel Raphaël Kötters be- stens beweist.” (jph) ER INNERUNGEN Oli Werding Olivier Werding: „Sprechchöre ‘Oli’, ‘Oli’ werde ich nie vergessen“ Einziger Französischsprachi- ger im Erfolgsensemble des HC Eynatten war damals der 28-jährige Kreisläufer Stéph- ane Bouhy. „Ich spielte vorher beim HC Herstal, wo jedoch trotz großer Investitionen die Erfolge ausblieben. Deshalb musste ich mir eine neue sportliche Herausforderung suchen. Ich hatte damals die Wahl zwischen Montegnée und Eynatten. Ich habe wohl die richtige Wahl getroffen”, so Bouhy rückblickend. „Obwohl wir die vorher- gehende Saison als Dritter beendet hatten, waren alle überrascht, dass wir in die- sem Jahr ständig Tabellen- führer waren. Alles lief wie geschmiert, und ein Sieg reihte sich an den anderen. Anders als im Vorjahr konn- ten wir auch das Pokalend- spiel gegen Tongern nach einer sehr starken zweiten Halbzeit für uns entschie- den”, blickt der Kreisläufer, der zwei Jahre lang in Eynat- ten wohnte, auf die Zeit vor dem Finale zurück. „Wir waren alle davon aus- gegangen, dass es im Play- off-Finale zu einem Kräf- temessen mit Initia Hasselt kommen würde. Aber aus einem Grund, den ich nicht mehr nachvollziehen kann, zogen die Limburger in ihrer Play-off-Gruppe gegen Leb- beke den Kürzeren.” Span- nend sei es nur im ersten der beiden Play-off-Endspiele gewesen. „In Lebbeke ist uns der Ausgleich erst in allerletzter Sekunde ge- lungen, ehe wir die Ver- längerung gewannen. Das Rückspiel in Eynatten war dann im wahrsten Sinne des Wortes eine heiße Sache. Die Halle war brechend voll. Da Lebbeke erst mit Verspätung eintraf, und der Anpfiff sich so verzögerte, heizte sich die Stimmung weiter auf”, er- innert er sich. Das Spiel sei dann zu einer einseitigen Angelegenheit geworden, „sodass wir schon während der zweiten Halb- zeit feiern konnten, ehe das ganze Dorf fast verrückt wurde”. Bouhy war an allen drei Eynattener Titeln beteiligt, ehe er den HCE nach vier Jahren Richtung Herstal verließ. Seine Karriere be- endete er später in Visé. „Anschließend war das Ka- pitel Handball für mich erst- mal erledigt. Nachdem mein Sohn mit dem Fußball auf- gehört hat, spielt er jetzt in den Minimes des HC Amay Handball. Sein vorläufig letztes Spiel hat er übrigens vor dem vorzeitigen Meister- schaftsende in Eynatten absolviert. So treffe ich seit kurzem wieder alte Bekann- te”, freut sich sich Stéphane Bouhy, der inzwischen in Villers-le-Bouillet lebt. (jph) ER INNERUNGEN Stéphane Bouhy Stéphane Bouhy: „Schon während der zweiten Halbzeit gefeiert“ „Eigentlich könnte ich jetzt nach 20 Jahren das Gruppen- foto der HCE-Mannschaft in meinem Arbeitszimmer abhängen – denn diese ver- rückte und geile Zeit werde ich auch so nie mehr ver- gessen. Als sportlich Uninter- essierter schleppte meine Frau mich irgendwann mit nach Eynatten, damit ich mal Interesse an dem Sport mei- nes Sohnes Max zeigen soll- te. Aber hier erfasste mich ein positiver Virus und dann ging alles sehr schnell. Be- geistert von der Stimmung wurde ich regelmäßiger Zuschauer, dann Mitglied, und bald fand ich mich schon im Vorstand wieder. Zusammen mit nmc und Hammer wurde dann meine Firma (Farben Bock, A.d.R.) einer der Hauptsponsoren und ich als Vize die rechte Hand von Leo Roderburg. Ich habe mich um das Marke- ting gekümmert, eine Home- page aufgebaut und die Finanzen mit betreut. Eine Riesengemeinschaft zog an einem Strang, und der sport- liche Erfolg der Mannschaft beschleunigte ständig das Karussell. Soviel Spaß und so viele intensive Erlebnisse hatte ich bis dahin nicht gekannt. Ein Dorf stand Kopf, und zahlreiche Freundschaf- ten mit Jung und Alt, Spie- lern und Zuschauern wurden bis heute andauernd ge- schlossen. Mit meinen Spon- sor-Kollegen Helmut Wint- gens und Hubert Bosten treffe ich mich heute noch regelmäßig.“ (jph) ER INNERUNGEN Mike Jacobs: „So intensive Erlebnisse hatte ich bis dahin nicht gekannt“ Mike Jacobs (rechts) an der Seite von Leo Roderburg

RkJQdWJsaXNoZXIy MjkyODgz