Persoverzicht november 2020

18 18 S PORT GrenzEcho Montag, 9. November 2020 2000706216/SR-G V ON T IM F ATZAUN „Endlich hab ich die Lizenz geschafft“, freut sich ein „stol- zer“ Bruno Thevissen. Eigent- lich hätte er den Bundesliga- Schein bereits im April in der Tasche haben können, doch wie überall hatte auch hier das Coronavirus seine Finger im Spiel. Schon der letzte Lehr- gang der normalerweise ein Jahr dauernden Ausbildung hatte im März abgesagt wer- den müssen. So konnte die erste Abschlussprüfung erst im August stattfinden. Thevis- sen drehte aber unfreiwillig noch eine Extrarunde und musste im Oktober nochmal ran. Diesmal bestand er. Insgesamt legt jeder Absol- vent zwei schriftliche und eine mündliche Klausur ab, muss eine Lehrprobe bestehen und einen Hospitationsbericht einreichen. Was verbirgt sich hinter all dem? Bei der Hospitation handelt es sich gewissermaßen um ein Praktikum bei einem Hand- ballverein oder einer Mann- schaft. Thevissen entschied sich für die deutsche U18-Na- tionalmannschaft, die vom ehemaligen Eynattener Mann- schaftskollegen und Freund, Erik Wudtke, trainiert wird. „Die Hospitation ist so etwas wie eine Endarbeit über die Philosophie des Vereins oder der Mannschaft, die man be- treut hat“, erklärt Thevissen, dessen Arbeit den Titel „Er- folgreiche Interaktion und Kommunikation eines Trai- ner(-gespann)s: Worauf kommt es an?“ trägt. Denn Coaching bestehe nicht alleine aus demDirigieren. ImHinter- grund sei die Arbeit viel kom- plexer, erklärt der Eynattener. Man müsse erkennen, wo bei einem selbst die Stärken lie- gen. Zweimal zwei Wochen lang begleitete er die Mann- schaft, darunter auf einem Lehrgang und im Dezember 2019 auf ein internationales Jugendturnier in Merzig an der französisch-deutschen Grenze. „Ich war nicht nur zum Hinterherlaufen und No- tizennehmen da, sondern wurde überall miteingebun- den.“ Kabinenansprachen, Ein- zelgespräche, Videoanalyse der eigenen Leistung und der Spiele des kommenden Geg- ners... die Tagesordnung war gut gefüllt. „Das war für mich ein super Mehrwert. Es war auch interessant, die jungen Spieler kennenzulernen. Eini- ge unter ihnen sammeln be- reits Spielpraxis in der Bun- desliga, beispielsweise David Späth bei den Rhein-Neckar- Löwen. Es ist schön, ihn wie- derzuerkennen.“ Bei der Lehr- probe – ein weiteres Kriterium zur erfolgreichen Absolvie- rung des Lizenzgangs – zieht der Teilnehmer eines von 43 Trainingsthemen, anhand dessen er in anderthalb Stun- den eine Einheit planen muss. Mithilfe einer sogenannten Demomannschaft muss er dieses anschließend vor einer Jury vorführen und verteidi- gen. „Die Jury bewertete die Präsenz auf dem Feld, den me- thodischen Aufbau, die vorge- nommenen Korrekturen, und ob man das Thema getroffen hat“, listet Thevissen auf. Was er aus diesen andert- halb Jahren konkret mitneh- men konnte, um in seine Ar- beit beim HC Eynatten-Raeren einfließen zu lassen? Das be- antwortet er unter anderem in seinem Hospitationsbericht: „So wie bei diesem Trainerge- spann habe ich eine Zusam- menarbeit zwischen Trainer und Co-Trainer noch nicht er- lebt. Bei meiner ersten Begeg- nung habe ich mich gefragt, wieso Erik nie das Wort ‚Co- Trainer‘ benutzt, dies ist mir in dieser Zeit bewusst gewor- den. Sie sehen sich beide als Trainer, der eine ergänzt den anderen. Es ist eine perfekte Beziehung.“ Diese Erfahrung hat „meine Beziehung zu mei- nem Co-Trainer und meine Kommunikation zu den Spie- lern verändert“. Er sei offener geworden, habe die Arbeits- aufteilung verändert und gebe mehr ab. Auch hat es das Trai- ning des HCER angepasst: „Nach jeder Einheit sagen die Spieler auf einer Skala von null bis zehn, wie intensiv sie sie fanden. Damit, und mit der Trainingsdauer, kann ich die Belastung jedes Spielers aus- rechnen. Das klappt sehr gut.“ Worte, über die er sich heute freut, denen aber eine dicke Portion Überwindung und viele Stunden trockener Theo- rie vorangingen. „Die A-Lizenz ist sehr komplex und eine schwierige Herausforderung Die bekommt man nicht ge- schenkt. Die meisten anderen Teilnehmer waren Sportwis- senschaftler, Sportlehrer oder Kinés – und dann saß ich als Bäcker dazwischen. Und mit 46 Jahren nochmal für eine Klausur zu lernen, war nicht ohne.“ Auch einige Ex-Profis – unter ihnen der ehemalige Olympiasieger Blazenko Lac- kovic, der 2013 mit dem Ham- burger SV die Champions Lea- gue gewann, oder der deut- sche Weltmeister von 2007, Andrej Klimovets, waren da- bei. „Die haben ja ein ganz an- deres Vorwissen als ich. Den- noch war es natürlich sehr in- teressant. Deswegen ärgerte ich mich auch nicht allzu sehr, als ich die erste Prüfung nicht bestand, sondern wollte mich da weiter reinknien.“ Nun gelte es, die Kontakte zu den anderen Absolventen und den Lehrern weiterzupfle- gen – man wisse ja nie, wozu man sie brauche. „Ich bin ja noch nicht am Ziel, nur weil ich die A-Lizenz habe“, schmunzelt Thevissen. Bruno Thevissen: „Ich bin ja noch nicht am Ziel, nur weil ich die A-Lizenz habe.“ Fotos: Bernd Rosskamp Bruno Thevissen lebt für den Handball. Seit er denken kann, ist er ein Teil des HC Eynatten-Raeren – und der Verein ein Teil von ihm. Immer wieder sprang der 46-Jährige in der Vergangenheit als Trainer der ersten Herrenmannschaft ein, mittlerweile führt er das Amt seit dreieinhalb Jahren aus. Doch auch Thevissen will sich weiterentwic- keln. Seit Ende Oktober besitzt er die deutsche A-Lizenz, mit der er beispielsweise einen Bundesligisten trainieren könnte. ● Bruno Thevissen hat die Bundesliga A-Lizenz in der Tasche. Was bedeutet das? „Die A-Trainer-Ausbildung baut auf den Ausbildungen zum C- und B-Trainer auf. Sie vermittelt die nötigen Kom- petenzen, um systematische und leistungsorientierte Trainingsprozesse bis hin zur individuellen Höchstleistung der betreuten Sportler zu gestalten“, erklärt der Deut- sche Handballbund. Wäh- rend die B-Lizenz vor allem für den leistungssportlich orientierten Jugendhandball gilt, und die C-Linenz das Trainer von Kindermann- schaften betrifft, berechtigt die A-Lizenz zur Arbeit als Profitrainer. ● Normalerweise dauert die Ausbildung zwölf Monate. Durch die Coronakrise zog sie sich diesmal in die Länge. ● Sie besteht aus mehreren Lehrgängen, zwei Hospitati- onsphasen bei einem Klub oder – im Falle Thevissens – bei einer Nationalmann- schaft und einem abschlie- ßenden Prüfungswochen- ende. ● Jeder Absolvent muss zwei schriftliche und eine mündli- che Klausur sowie eine Lehr- probe bestehen und einen Hospitationsbericht ein- reichen. ● Zu den diesjährigen Referen- ten gehörten auch Ex-Eynat- tener Erik Wudtke und der deutsche Nationaltrainer, Christian Prokop. ● Die Gültigkeit der Lizenz beträgt zwei Jahre. Sie kann durch die Teilnahme an Fort- bildungen um zwei weitere Jahre verlängert werden. ● Typisches Tätigkeitsfeld von A-Trainern ist beispielsweise die Bundesliga. ● Ein Teilnehmer muss Mit- glied in einem Verein des Deutschen Olympischen Sportbundes sein. Es werden nur 23 Bewerber akzeptiert, wobei prinzipiell jedes Bun- desland einen oder zwei stellt. Thevissen kam dabei zugute, dass Eynatten-Rae- ren zum Handballverband Niederrhein zählt. (tf) H INTERGRUND Was ist die A-Lizenz und wozu berechtigt sie? „Diese Erfahrung hat meine Beziehung zu meinem Co-Trainer verändert.“ Bruno Thevissen „Die A-Lizenz ist kein Geschenk“

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